La Fourille

La Fourille - Bedeutung des Namens

Landhof La Fourille

[la fuʀii:]


Wer in der Mark Brandenburg über Land fährt, stößt auf Namen, die auf die slawische Siedlungsgeschichte der Region zurückgehen. Doch beim Namen La Fourille stutzt so mancher und fragt sich und schließlich uns, was dieser Name zu bedeuten habe und wie man ihn wohl ins Deutsche übersetzen könne?!

La Fourille ist dem französischen Sprachraum zuzuordnen, doch beim Blick in ein einschlägiges Wörterbuch wird man leider nicht fündig. Wie auch, denn La Fourille ist der Eigenname eines kleinen Anwesens in den Hügeln nahe des Lac du Salagou im Département Hérault im Languedoc, 1.600 km von Nudow entfernt.

In den 1980’er Jahren war das Département Hérault eine nahezu „vergessene“ Region. Die meisten Urlauber fuhren in die Provence, an die Rohne, in die Camargue, an die Ardeche, in die Cevennen oder gleich noch ein Stück weiter bis hinter die französisch-spanische Grenze. Wer die Romane oder Filme „Eine Kindheit in der Provence“ oder „Die Wasser der Hügel“ von Marcel Pagnol kennt, vermag sich vorzustellen, welche traumhafte Landschaften, Geräusche und Düfte einen auch noch in den 80er Jahren rund um den Lac du Salagou zu verzaubern im Stande waren.

Ich hatte dort Freunde gefunden, Monica und Barry aus Irland und Wales, die schon einige Jahre vorher ins Languedoc ausgewandert waren. Ich habe dort viele wundervolle Wochen meines Lebens verbracht. Weniger als der typische Urlauber, sondern mehr als Mitglied des Freundeskreises meiner Freunde Barry & Monica. Oft habe ich deren Haus und Hunde gehütet, wenn sie selbst in Urlaub oder beruflich unterwegs gewesen sind. Zu diesen Zeiten habe ich morgens in meinen Tagesrucksack gepackt und bin mit den Hunden quer über die Berge gewandert.

Unterwegs haben wir uns auf verwilderten Weinbergen an Weintrauben, Feigen, Aprikosen, Kiwis und sonstigen wild wachsenden südfranzösischen Leckereien gelabt.

Um das einleitende Bild vollends abzurunden, mögt ihr euch noch vorstellen, dass die Gesteinsschichten rund um den Salagou aus dunkelrotem Schiefer, durchzogen von dünnen Schichten aus weißem Granit bestehen. Man nennt diese Gesteinsformationen „La Rüffe“. Aufgeheizt von der Sonnenwärme des Tages duften die Hügel abends und in der Nacht nach Rosmarin, Thymian und wildem Fenchel. Allein dieses Geruchspotpourri lässt einem bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Wenn ich euch mit meinen „Bildern“ ein Stück weit mit hineinnehmen konnte in diese Zeit und an diesen Ort, dann könnt ihr euch sicherlich meine Überraschung vorstellen, als ich eines Tages auf halber Höhe eines Hügels unvermittelt vor einem verlassenen und völlig mit blühender Glyzinie überwucherten Haus stand. Der schmale Fahrweg weitete sich zu einem Platz und endete dort. Das Haus mit seinen verfallenen Nebengelassen schmiegte sich an den Berg. Davor eine gewaltige Platane unter deren weit ausladenden Ästen ein kleiner Brunnen murmelte, gespeist vom Wasser aus den Bergen.

Wir drei, die Hunde Max und Amadeus waren gleichermaßen überrascht und hielten für wenige Augenblicke inne und die Luft an. Soll heißen, die Hunde hörten schlagartig auf, laut zu hecheln. Für einen Augenblick war es plötzlich still und alles was ich hörte, war das Plätschern des dünnen Wasserrinnsals das aus dem Auslauf des Brunnens über eine tief in den Sandstein gefressenen Rinne in ein kleines Steinbecken plätscherte. Beim nächsten Wimpernschlag stürzten sich die Hunde auf das Wasser und hätten am liebsten ein Bad in dem kleinen Wasserbecken genommen.

Vorbei war es mit der himmlischen Ruhe! Und es war mir tatsächlich nie wieder vergönnt, diesen wundervollen Ort in solch einem Moment der Ruhe genießen zu dürfen. Stets waren die Hunde mit ihrem lauten Hecheln in meiner Nähe und steuerten ihre eigene Geräuschkulisse bei.

Das Haus leuchtet im violett der blühenden Glyzinie, die verwitterten Fensterläden waren fest verschlossen und schon teilweise überwuchert. Eine Steintreppe führt einen halben Stock nach oben zu einer schweren Haustüre. Unter dem Podest vor der Haustür führte ein dunkler bemooster Tunnel zu einer weiteren Tür. Vermutlich der Eingang zum Felsenkeller unter dem Haus. Mein Lieblingsplatz war auf der verwitterten Bank, die im Halbkreis um den Stamm der Platane gebaut war. Angelehnt an den von der Sonne aufgeheizten Stamm schweifte der freie Blick über den roten Schiefer auf dem die gelben Blüten der Ginsterbüsche ins Auge stachen. Und  hinter einem der Hügel leuchtete im kräftigen Blau ein Ausläufer des Lac du Salagou im roten Schiefergestein.

Ich wagte kaum, mich in diesem „Paradies“ zu bewegen. Die Zufahrt war nicht durch eine Mauer oder ein Tor verschlossen, aber dennoch erschien der Ort als ein geschützter Ort, ein sehr persönliches Refugium, das zu betreten mir nicht bestimmt war. Und ja, es war ein wenig wie im Paradies: ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich doch ein wenig umzuschauen. Hinter dem Haus lagen weitere kleinere Gebäude, die bereits vollständig verfallen waren. Es standen nur noch Reste der Außenmauern und ein paar Stufe, die ins Nichts führten. Dachziegel und Balken lagen im Inneren und waren überwuchert von Bäumen und Büschen. Auf der, der Abendsonne zugewandten Rückseite des Hauses lag eine große Terrasse mit einem aus Naturstein an die Hauswand gemauertem Holz-Backofen. Ich fühlte mich beobachtet und ertappt wie ich mich dort umsah und diese Entdeckung in mir aufsog. Ich war froh, nicht allein, sondern in Begleitung meiner vierbeinigen Freunde zu sein. Die Zeit war unbemerkt verflogen und unser Rückweg noch lang.

Wieder zurück, suchte ich als erstes den Ort auf der Landkarte. Als ich ihn fand, entdeckte ich auch seinen Namen in der Karte: La Fourille!

Es war nicht das letzte Mal in diesem Urlaub, dass wir hinauf zu La Fourille gewandert sind. Und mit jedem Mal schien der Ort mir vertrauter und zugewandter.

Ich hatte eine Reihe Fotos von diesem Ort gemacht, keines jedoch von dem Haus selbst. So habe ich von La Fourille kein Foto, das ich anschauen könnte, nur von dem Gelände drum herum und der Blick ins Tal. Ich wünschte mir damals nichts so sehr, als wenigstens für eine Zeit in diesem wundervoll gelegenen Haus zu leben. Aus der Haustür zu treten und an der Platane vorbei auf den Salagou zu schauen. Die Fensterläden zu öffnen und das Sonnenlicht in die Zimmer strömen zu sehen. Die Kräuter der Hügel zu pflücken und zu kochen. Im Gewölbekeller (ja es musste ein in den Stein gehauener Gewölbekeller sein, was sonst?!) sah ich meinen Weinvorrat gut temperiert lagern. Brot backen im Holzbackofen, Schafe und Ziegen die auf den Hängen um das Haus weiden …..

La Fourille ist das für mich bestimmte Haus auf dieser Welt, davon war ich felsenfest überzeugt!

Barry und Monica kannten das Anwesen. Es war seit Jahren unbewohnt – mein Herz jubelte! Sie haben lange gesucht, und endlich die Besitzer ausfindig gemacht. Einem in Marseille lebenden Geschäftsmann gehörte es - mein Herz jubelte! Welcher Marseiller Geschäftsmann will schon in den Bergen im verlassenen Département Hérault wohnen???

Die Antwort, die ich auf meinen Brief bekam, habe ich bis heute aufgehoben: Ni à louer, ni à vendre! Nicht zu verkaufen, nicht zu vermieten!

Noch viele Jahre lang bin ich zu la Fourille gepilgert, konnte und wollte es nicht wahrhaben, dass ich niemals diese Haustüre werde öffnen dürfen. Eines Tages im Frühjahr dann die Überraschung: „Mein“ Paradies schien zerstört: Die Bäume und Sträucher am Weg waren radikal und brutal gestutzt, die Glyzinen vor dem Haus nahezu vollständig abgesägt. Das Haus stand da wie nackt! Und schlimmer noch, die Fensterläden waren geöffnet, Decken lagen in den offenen Fenstern zum Lüften. Dann erst sah ich auch das Auto, das neben dem Haus geparkt war.

„Mein“ Haus war bewohnt! Unfassbar! Ich machte Hals über Kopf kehrt und war so schnell wie nie zuvor den ganzen Weg zurückgegangen. Ni à louer, ni à vendre! Und ab jetzt auch noch bewohnt!

Mein Traum war ausgeträumt. La Fourille war nicht das Haus, das für mich bestimmt zu sein schien!

Viele viele Jahre später suchten wir einen Namen für unseren Hof in Nudow. Es war uns, Annett und mir ein großes Bedürfnis, unserem Hof mit dem Namen auch eine eigene Persönlichkeit zu geben. Wir suchten lange und lange erfolglos, aber keiner der Namensvorschläge hatte die Kraft, wirklich zu „zünden“.

Wir hatten das Vorhaben im Grunde schon aufgegeben, wir hatten auch andere, Aufgaben zu erledigen als die, einen Namen zu finden. Eines Tages an einem heißen Sommertag standen wir im Hof und Annett sagte: „Du wolltest doch früher mal ein Haus in Frankreich kaufen? Wie hieß das denn? Es war, meine ich, ein schöner Name!?“

„La Fourille!“ antwortete ich. „Wollen wir unseren Hof „La Fourille“ nennen??“, fragte Annett.

Im ersten Moment kam mir das ganz und gar abwegig vor. Ein Hof in Brandenburg…?!?

Wie der kurze Moment der Stille beim ersten Betreten des Ortes in Frankreich wiederholte sich dieser Moment und beim Klang des fast vergessenen Namens erwachte mein alter unerfüllter Lebenstraum wieder in mir. Und war auf wundersame Weise in genau diesem Moment in Erfüllung gegangen! Wenn auch gänzlich anders als ich es mir damals hätte vorstellen können. Jetzt endlich kann ich die seit Jahrzehnten nie gemachten Fotos machen von „meinem“, nein viel schöner, von „unserem“ La Fourille! Nun habe ich auch verstanden, warum ich damals nicht ein Foto von diesem Haus in Frankreich hatte machen können.

Unser La Fourille steht in Nudow!


Gottes Wege sind unergründlich, erfordern Geduld und sind letztendlich immer gut!

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